Sind Handwerk und Digitalisierung vereinbar? Ist die computergestützte Herstellung mithilfe standardisierter Prozesse und Dateivorlagen der Untergang der individuellen Manufaktur? Braucht unser Handwerk überhaupt die individuelle Fertigung? Schließlich werden viele wiederkehrende Abläufe erst durch die industrialisierte Automatisation wirtschaftlich. Beispiele dafür gibt es genügend.
Doch betrachten wir zunächst einmal den Einzug der CAD/CAM Technologie in das zahntechnische Labor. Frühe Ansätze in den 80ern zeigten die Machbarkeit, erreichten aber keine Marktreife. Erst die rasant voranschreitende Entwicklung von Hard- und Software in diesem Bereich erhöhte die wirtschaftliche Darstellbarkeit. CAD/CAM wurde interessant. Der Durchbruch jedoch kam aus meiner Sicht mit dem Beginn der Verarbeitung von Zirkon, einem Material, das fast alle Anforderungen an einen dentalen Werkstoff in idealer Weise erfüllt, sich aber nur mit maschineller Hilfe umformen lässt. Von daher war es nur konsequent, der prozessorgesteuerten Maschinenfertigung auch die computergestützte Gestaltung beizustellen.
In unserem Dentallabor werden seit dem Jahr 2002 CAM- und kurze Zeit später auch CAD-Verfahren eingesetzt. Zunächst ausschließlich für den Werkstoff Zirkon, später dann auch für Wachse, Kunststoffe und Metalle, sowohl in Fremdfertigung als auch in Eigenproduktion. Bleibt dabei nun die Individualität auf der Strecke? Haben alle Patienten dasselbe Lächeln oder dasselbe Okklusionskonzept? Wohl kaum, doch was bedeutet eigentlich Individualität bezogen auf die Zahntechnik? Jeder Fall ist anders. Aus den unterschiedlichsten Voraussetzungen ergeben sich ebenso unterschiedliche Lösungsansätze. Wir wollen den Patienten nicht nur ein eigenes Lächeln geben, nein, auch die individuelle Funktion wird für jeden Menschen „neu erfunden“. Dies spiegelt sich auch im Medizinproduktegesetz wider, das uns Zahntechniker als „Sonderanfertiger“ klassifiziert. Jedes Werkstück ist anders als das vorherige und muss daher gesondert dokumentiert werden. Das unterscheidet uns von der Industrie.