ddm | Ausgabe 3 | 2023 3 Editorial Im Tal der Enttäuschungen? Die Hype-Cycle-Methodik des Marktforschungsunternehmens Gartner gibt einen Überblick darüber, wie sich eine Technologie oder Anwendung im Laufe der Zeit entwickelt. Jeder Hype Cycle gliedert sich in die fünf wichtigsten Phasen des Lebenszyklus einer Technologie. 1. Technologischer Auslöser 2. Gipfel der überzogenen Erwartungen 3. Tal der Enttäuschungen 4. Pfad der Erleuchtung 5. Plateau der Produktivität Darf man Hartmut Gieselmann, leitender Redakteur bei der c’t (Europas größtes IT- und Tech-Magazin), glauben, schliddert die Sprach-KI ChatGPT gerade schnurstracks ins Tal der Enttäuschungen. Der Gipfel der überzogenen Erwartungen wird auf Mai 2023 datiert. Nach den ersten Erfolgen mehrten sich bald Berichte darüber, welchen Unsinn ChatGPT teils verzapft. Das musste ich selbst auch schon feststellen, als ich mir eine Recherche mit der KI vereinfachen wollte. Natürlich wusste ich längst, dass von ChatGPT keine aktuellen Daten zu erwarten sind. In schöner Regelmäßigkeit weist die KI ja darauf hin, dass sie nichts nach September 2021 kennt. Nun ging es aber um grundsätzliche Wirkweisen bestimmter pflanzlicher Stoffe, die schon lange bekannt sind. Und zunächst schien alles wunderbar. Aber irgendwann wurde ich stutzig … dass die Wirkung der verschiedenen Stoffe so ähnlich sein sollte, irritierte mich. Ein paar Klicks weiter, stand fest: Die Sprach-KI erzählte Mist. Auf meine Nachfrage hin, gab sie „immerhin“ zu, dass sie leider zu einigen der Stoffe keine Fakten finden konnte und deshalb die ihr vorliegenden Informationen zu ähnlichen Verbindungen zu plausibel klingenden Antworten zusammengestrickt hätte. Auf dieser Basis waren natürlich sämtliche Infos, die ich von der KI zu dem Thema erhalten hatte, unbrauchbar. Sogar Studien hatte die KI erfunden! Der Kollege von Heise hat herausgefunden: „Aufgrund der ökonomischen Randbedingungen werden generative Sprachmodelle auch in Zukunft Fehlerquoten in der Größenordnung von 20 Prozent und mehr produzieren. Dies schränkt ihren Nutzen massiv ein. Sie gehören nicht in Bereiche, in denen es auf hohe Genauigkeit ankommt und bei kleinsten Fehlern enorme Schäden drohen, wie in der Medizin […].“ Immerhin gibt es vereinzelte Vorstöße, geeignete Expertensysteme zu entwickeln, zum Beispiel von dem Münchner Start-Up mediorbis – siehe Seite 56. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es letztlich wesentlich aufwendiger sein kann, Fehler in einem KI-Text zu identifizieren, als auf althergebrachte Weise zu recherchieren und einen Text einfach von Grund auf selbst zu schreiben. Das bedeutet nicht, dass Sprach-KIs für mich keine Daseinsberechtigung haben. Ich musste nur lernen, bewusst zu entscheiden, wann ich die KI sinnvoll einsetzen kann, und wie clevere Prompts die Fehlerquote reduzieren. Ich befinde mich hier immer noch auf dem Pfad der Erleuchtung, bin aber voller Hoffnung irgendwann auch noch das Plateau der Produktivität zu erreichen. Ihre P. S. Übrigens hat ein KI-Detektor diesem Text bescheinigt, dass er zu 100 % von einem Menschen verfasst wurde. Das gilt allerdings nicht für jeden meiner Texte ;-) Mira Ross-Büttgen Chrefredaktion
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