ddm Ausgabe 3 | 2023

24 ddm | Ausgabe 3 | 2023 Der komplette Fall Es kommt jedoch nicht selten vor, dass der Zement bereits eingeebnet ist, aber im Eifer des Gefechts bereits mit der Polymerisation ohne Glyceringel begonnen wurde. Das Wissen, dass eine sich bildende Sauerstoffinhibitionsschicht im Randbereich zu einem schlecht ausgehärteten Zement von einigen zehn Mikrometern Breite führen würde[11] und in der Folge Oberflächendefekte auftreten könnten, zwingt den gewissenhaften Zahnarzt in einem solchen Fall zu einer Nachbearbeitung. Diese ist jedoch naturgemäß mit einem gewissen iatrogenen Risiko verbunden – dem Risiko, dass sich hier im Lauf der Zeit ein Randspalt, also ein potenzielles Tor für Sekundärkaries oder Randverfärbungen, bildet. Durch die empfohlene Vorgehensweise wird dieses Risiko minimiert. Nach der Entfernung des Glyceringels mit einem Wasserstrahl ergibt sich der weitere Vorteil, dass eine Nachbearbeitung mit rotierenden Instrumenten an den bereits nivellierten Rändern, insbesondere an anatomisch schwer zugänglichen Rändern, nicht mehr erforderlich ist. Das Vermeiden von Sauerstoffinhibition und Randspaltbildung hat noch weitere Vorteile[12]: – Das Composite ist im Randbereich glatt. – Es entstehen keine zufälligen Poren und Mikrospalten. – Der Randschluss der Restauration ist hervorragend. Überlegungen zur direkten Versorgung des Zahns 16 Die Kavitäten an Zahn 16 wurden mit einem einzigartigen thermoviskosen Bulk-Fill-Composite, VisCalor bulk (VOCO), gefüllt. Dieses Material ist bei Raumtemperatur pastös und modellierbar. Es ist jedoch so konzipiert, dass es nur appliziert werden kann, wenn es in einen flüssigen Zustand überführt wurde. Die Voraussetzung dafür, dass das Material nicht pastös, sondern tatsächlich fließfähig ist: Die Temperatur der Caps mit dem Material ist während der intraoralen Anwendung im Spender zwischen 65 °C und 68 °C fließfähig zu halten (Thermo-Viscous Technologie; „aktivierende“ Temperatur). Sobald das Composite in einer einzigen „Bulk“-Schicht (daher der Name VisCalor bulk) bis zu einer Höhe von 4 mm in die Kavität injiziert wird, wird es innerhalb weniger Augenblicke deutlich viskoser und kehrt zu einer stopfbaren und modellierbaren Konsistenz zurück, ohne die Vitalität der Zahnpulpa zu beeinträchtigen, da die Körpertemperatur von unter 40 °C seinen physikalischen Zustand bestimmt. Zwei thermisch kontrollierte Konsistenzen in einem einzigen Material waren bisher für die Wissenschaft undenkbar. Das Füllen tiefer Kavitäten erforderte darum zwei Arbeitsschritte mit zwei Materialien entgegengesetzter Konsistenz: Zum Einsatz kam ein fließfähiges in der Tiefe und ein modellierbares an der Oberfläche. Die Thermo-Viscous Technologie spart Zeit, da ein und dasselbe Material bei unterschiedlichen Temperaturen die jeweils erforderliche Konsistenz aufweist. Die Kapseln verfügen über eine schlanke, flexible Kanüle, die eine direkte, luftblasenfreie Injektion auch in schwer zugängliche Bereiche oder enge Hohlräume ermöglicht. VisCalor bulk kann bis zu einer Schichtstärke von 4 mm verarbeitet werden und ist in vier Farben (universal, A1, A2, A3) erhältlich. Durch seine geringe Wasseraufnahme bietet das Material eine gute Farbstabilität und stabile mechanische Eigenschaften. Mit einer Volumenschrumpfung von nur 1,44 Vol.-% und einer Biegefestigkeit von 164 MPa weist das Material eine hohe Stabilität auf[13]. Schlussfolgerungen Patient und Zahnarzt zeigten sich sehr zufrieden. Die gute Verarbeitbarkeit, die Art der gewählten Restauration und vor allem die Herstellung im Labor verkürzten die Zeit am Behandlungsstuhl sowie im Labor. Dies reduzierte letztlich die Kosten für alle Beteiligten, was ein effizienteres Arbeiten und einen höheren Patientenkomfort ermöglichte.

RkJQdWJsaXNoZXIy NzIxMjU=