ddm Ausgabe 2 | 2022

25 ddm | Ausgabe 2 | 2022 Der komplette Fall Die Resultate waren vielversprechend. Auf der Röntgenaufnahme waren adäquat aufbereitete und gut gefüllte Wurzelkanäle zu erkennen inklusive des Kanals der distalen kritischen Wurzel. In allen vier Wurzelkanälen waren Arbeits- und Füllungslänge gut definiert. Nach der Revision der Wurzelkanalbehandlung wurde ein starker Substanzverlust im koronalen Teil des Molars festgestellt. Unter anderem war der Schmelz an der distalen und der lingualen Seite der Zahnkrone verloren gegangen und das verbleibende Dentin war dünn und wies eine bedeu- tende Verfärbung auf (Abb. 4). Dennoch war noch ein großvolumiger Raum vorhanden, der für die adhäsive Verbindung der Endokrone nutzbar war. Dieser Raum wird als erweiterte Pulpakammer (enlarged pulp chamber) bezeichnet und besteht aus der ursprünglichen Pulpakammer, die durch endodontischen Zugang, endodontische Instrumentierung und iatrogene Substanzentfernung ver- größert wurde (Abb. 5). Da versehentlich einige Guttaperchaüberschüsse verblieben, wurden 1–2 mm Guttapercha in jedem Wurzelkanal mit der Spitze eines Ultraschallgeräts ohne Wasserkühlung und mit manuellen Exkavatoren entfernt. Die Entfernung des Guttaperchaüberschusses und das Abwischen des endo- dontischen Sealers gelten als wichtige Schritte zur Verbesserung der Adhäsion mit dem Boden der Pulpakammer: Diese Maßnahmen wurden daher mithilfe eines klinischen Mikroskops durchgeführt (Abb. 6). Der nächste Schritt bestand in der Bedeckung des Bodens und der Wände der „vergrößerten Pul- pakammer“ mit einem fließfähigen Composite-Material, um den Zugang zu den Wurzelkanälen zu verschließen, die Unterschnitte zu füllen und die finale Präparation zu gestalten. Eine Vorbehandlung durch Ätzung von Schmelz und Dentin (Total-Ätz-Technik) wurde an der „ver- größerten Pulpakammer“ für 15 s durchgeführt, die Phosphorsäure wurde abgesaugt und die kon- ditionierte Fläche für 20 s gespült (Abb. 7a und b). Anschließend wurde ein Universaladhäsiv (Futura- bond U, VOCO) nach Trocknung gemäß Gebrauchsinformationen auf die konditionierte Oberfläche aufgetragen. Das Adhäsiv wurde für 20 s sorgfältig einmassiert und zur Verdunstung des Lösungsmit- tels mit sanftem Luftstrom für 5 s verblasen. Danach wurde die Lichtpolymerisation des Adhäsivs 10 s lang unter Verwendung eines Hochleistungs-LED-Lichthärtegeräts (Celalux 3, VOCO) durchgeführt. Anschließend wurde eine Schicht eines dualhärtenden Stumpfaufbau-Composites (Rebilda DC, VOCO) auf Kavitätenboden und linguale Wand, an der sich die Unterschnitte befanden, appliziert (Abb. 8). Das Aufbaumaterial wurde sofort lichtgehärtet (Abb. 9) und die Kavität umgestaltet (Abb. 10 und 11): Die Fotos zeigen einen glatten Boden und glatte Präparationsgrenzen mit bedeutendem Volumen in der vergrößerten Pulpakammer. Die verbleibende Zahnsubstanz – insbesondere der Zahnschmelz an der mesialen Seite – konnte erhalten werden. Kürzliche Finite-Elemente-Analysen von Zheng et al. zeigen, dass minimalinvasive flache Butt Joint- Präparationen [stumpfer Stoß] nicht so optimal sind wie stumpfe Butt Joint-Präparationen mit 20° Abschrägung (Zheng et al., BMC Oral Health, 2022). Weiterhin wurde keine axiale Reduktion ausge- führt. Durch den Verlust der approximalen Kontaktpunkte in den vorangegangenen Jahren waren rechts unten der zweite UK-Molar und zweite Prämolar in Richtung des betroffenen Molaren #46 gekippt, sodass dieser erste Molar einen subgingivalen Kontakt mit beiden aufwies. Nach ihrer Separation vom ersten Molaren mittels dünnem Diamantbohrer wurde der für eine geeignete koronale Restau- ration vom Zahn #46 erforderliche Raum wiederhergestellt. Anschließend wurden die reduzierten Interproximalflächen mit oszillierenden Finier- / Polierspitzen Abb. 10: Die Kavität wurde modelliert, Materialüberschüsse wurden mit feinen Diamant- bohrern entfernt und Präparati- onsgrenzen geglättet. Es wurde keine Zahnsubstanz abgetragen. Abb. 11: Letzte Vorbereitungen vor der digitalen Abformung: Legen von Retraktionsfäden, leichte Reduzierung des zweiten Unterkiefermolaren und zweiten Prämolaren (diese waren migriert und hatten den Zahn- zwischenraum geschlossen).

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