ddm Ausgabe 2 | 2021

15 ddm | Ausgabe 2 | 2021 Der komplette Fall Systeme bestimmte Schwächen in der Erfassung und Übertragung der wirklichen Patienten-Geo- metrie in die virtuelle Welt, gegenüber dem gut untersuchten und bewährten analogen Artikulator- system. Derzeit scheint eine Kombination von analog (Aufwachsen von Hand durch den Techniker) und eines anschließenden Scans zur digitalen Fertigung funktioneller Kauflächen (CAM) einen sinn- vollen Kompromiss darzustellen 3 – allerdings kann aktuell von einem „funktionell reinen digitalen Workflow“ (noch) nicht ausgegangen werden. Die Versorgung mit Hochleistungskeramiken oder monolithischen Zirkoniumdioxid-Restaurationen sollten nicht standardisiert als „Airbags“ mögliche Defizite im funktionellen Bereich kompensieren. Aufgrund des immer höher werdenden Anteils von Patienten mit Abrasionen / Attritionen / Erosio- nen und / oder Parafunktionen steht der in diesem Artikel vorgestellte Behandlungsansatz stellver- tretend für ein minimalinvasiv 4 und okklusions-prophylaktisch orientiertes Behandlungskonzept, im Sinne einer Sicherung der statischen Okklusion und Gewährleistung einer interferenzfreien dynami- schen Okklusion 5, 6, 7, 8 . Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass auf Gelenkebene lediglich ein Spielraum von 0,6 – 0,8 mm vorliegt 9, 10 und die Taktilität des Kausystems noch empfindsamer reagiert (0,02 – 0,03 mm 11 ) von zentraler Bedeutung bei der Rekonstruktion von Zähnen / Kauflächen. Als Behandlungsziel wird daher eine Defensivgestaltung der Kauflächen angestrebt, umbei der Para- funktion, welche primär nicht als Pathologie, sondern als Stressventil des Patienten zu betrachten ist, das Risiko einer Überlastung / Schädigung des Kauorgans zu minimieren. Erhöhung der vertikalen Dimension – Problematik Eine Erhöhung (oder auch Absenkung) der vertikalen Dimension stellt bei Myoarthropathie sowie Tief- oder Deckbisssituation eine zusätzliche Herausforderung dar, noch dazu wenn in einem Kie- fer festsitzender implantatgetragener Zahnersatz vorgesehen ist 5 . Nachfolgend soll nun im Rahmen eines synoptischen Behandlungskonzepts gezeigt werden, wie diese Problematik gelöst wird. Im Fokus standen hierbei die Funktion, die Phonetik und die Ästhetik 12, 13 . Patientenfall: Spezielle Anamnese Ein 49-jähriger Patient, der bereits seit vielen Jahren regelmäßig am Recall (Dentalhygiene) unserer Praxis teilnimmt, stellte sich mit einem sanierungsbedürftigen, konservierend insuffizient versorg- ten Gebiss vor. Zudem zeigte sich eine Tief(Deck)bisssituation mit deutlichen Abrasionsspuren im Ober- und Unterkieferfrontzahnbereich. Das Unterkieferfrontsegment 33 – 43 stand (Angle Klasse II/2) typischerweise im „Hochstand“ bzw. ist kompensatorisch supraeruptiert. Vor ungefähr zehn Jah- ren wurde der Zahn 42 aufgrund Engstands in unserer Praxis entfernt. Der Patient gab an, dass er mit den Zähnen knirscht. Alle anamnestisch angegebenen Beschwerden wurde subjektiv mit Grad 1 (Befundbogen Initialdiagnostik nach Slavicek) gewertet, was auf eine mittelgradige Beschwerdesi- tuation (adaptierte Beschwerden) hindeutete. Die allgemeine Anamnese war unauffällig. Der Patient hat keine Grunderkrankungen und nimmt keine Medikamente ein. Diagnose Aus der klinischen und röntgenologischen Befundung leiteten sich die Diagnosen, Myoartropathie, Parafunktion – Pressen und Knirschen – mit sichtbarem Zahhartsubstanzabrieb (Attrition) einher- gehend mit Verlust der vertikalen Dimension, Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich, Störung der statischen und dynamischen Okklusion (ungenügende Eckzahnführung, Latero- und Protrusionsfacetten, Mediotrusionsvorkontakte), unregelmäßiger Gingivaverlauf im sichtbaren Front- zahnbereich sowie ein konservierend insuffizient versorgtes Erwachsenengebiss ab.

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