ddm Ausgabe 1 | 2020

ddm | Ausgabe 1 | 2020 56 Journal In den 1920er bis 30er Jahren wurde das Produktprogramm umfangreich erweitert, u. a. durch die Fertigung von großen Elektroisolatoren, anfangs aus Steinzeug, später aus Elektroporzellan. Damit war der Grundstein für die zukünftige Tätigkeit auf demGebiet der technischen Keramik gelegt. Doch kaum waren die Voraussetzungen für eine erfolgreiche industrielle Weiterentwicklung geschaffen, passierte das Unglück: Im Jahr 1932 vernichtete ein Feuer die Bürogebäude und einen Großteil der Fabrikationshallen, alles musste neu aufgebaut werden. In den späten 30er Jahren entstand mit Kelis eine neue Abteilung, spezialisiert auf die Herstellung (kleiner) keramischer elektrischer Isolatoren. Das Wort „Oxidkeramik“ für den Bereich der Hightech- Keramik, der auf verschiedenen Anwendungsgebieten enorme Bedeutung erlangen sollte, bestand zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht – es wurde erst während des 2. Weltkrieges geboren. Damals entstand – vor allem in Deutschland – ein Bedarf für Schneidwerkstoffe aus Aluminiumoxid als Ersatz für Hartmetall, das nicht in ausreichender Menge für die Rüstungsbetriebe zur Verfügung stand. Die ausschließlich friedlichen Zwecken dienende Tätigkeit der Tonwerke Thayngen und die umfangrei- chen Aufbauarbeiten fanden am 25.12.1944 ein jähes Ende: Acht amerikanische Bombenflugzeuge, eigentlich auf demWeg nach Deutschland, machten die Produktionsstätten aufgrund eines Naviga- tionsfehlers auf einen Schlag dem Erdboden gleich. Es war ein großes Glück, dass der Bombenab- wurf an einem Feiertag erfolgte und keine Menschen im Betrieb waren. Allerdings wurde ein Bahn- wärter der Deutschen Reichsbahn tödlich getroffen. Die Zerstörung der Industrieanlagen bedingte einen radikalen Neuaufbau. Der dauerte etwa drei Jahre, weil nach Kriegsende kaum geeignetes Baumaterial zur Verfügung stand. Die Produktion konnte erst 1947 wieder aufgenommen werden. Die Piloten suchten übrigens den Kontakt zum Unternehmen und kehrten 1985 an den Ort des Geschehens zurück, um sich persönlich für ihren Fehler zu entschuldigen. In den folgenden zwei Jahrzehnten entwickelte sich Tonwerke Thayngen zu einem der international führenden Anbieter für elektrische Großisolatoren. Das Meisterstück wurde mit der Herstellung eines 13 m hohen Isolators erreicht – soweit bekannt nicht nur der größte Isolator aus Elektrokeramik, son- dern sogar das größte weltweit je aus Keramik hergestellte Objekt überhaupt (Abb. 4). In der ersten Hälfte der 1970er Jahren wurden dann große Investitionen getätigt, um sich an die veränderten For- derungen der Märkte anzupassen und die Produktion zu rationalisieren. In dieser Zeit entstand auch der Kontakt der Tonwerke und Kelis zu der Schweizerischen Aluminium AG (Alusuisse) in Neuhausen am Rheinfall. Abb. 3: 1914 wurde die bis dahin als Kommanditgesellschaft geführte Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.

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