ddm Ausgabe 6 | 2019

ddm | Ausgabe 6 | 2019 38 Pro & Contra Herausforderung 8: (Mangelnde) klinische Evidenz Die Markteinführung und der Erfolg neuer digitaler Technologien sind oft unabhängig von wissen- schaftlichen Erkenntnissen: Trotz erkennbarer Anstrengungen mangelt es in vielen Fällen noch an klinischen Studien und damit an wissenschaftlicher Evidenz. Die Digitalisierung in der Implantologie ist hierfür ein gutes Beispiel. Hong und Oh (2017) etwa beklagen das Fehlen von Langzeitstudien in diesem Bereich. Auch Colombo et al. (2017) fordern die wissenschaftliche Forschung auf herauszu- finden, welche klinischen Situationen den größten Nutzen aus der implantatgeleiteten Chirurgie zie- hen können, und empfehlen dafür randomisierte kontrollierte Studien. Doch auch erfolgreich durch- geführte klinische Studien bieten noch keine Garantie dafür, dass die Ergebnisse umsetzbar sind: Bis die Studienergebnisse vorliegen, sind viele getestete Technologien bzw. technische Systeme bereits durch Folgeprodukte ersetzt, sodass die Studien oft kaum noch relevant sind. Ursächlich hierfür ist der erhebliche Wettbewerbsdruck der Hersteller sowie die immer schnelleren Entwicklungs- und Erneuerungszyklen moderner technischer Produkte. Hier wäre es wichtig, die Entwickler und die Studienleiter zusammenzubringen: Ohne konzertierte Maßnahmen auf der einen Seite und ohne eine breite finanzielle Unterstützung klinischer Studien auf der anderen Seite wird sich die Evidenz- lage kaum entscheidend verbessern lassen. Schlussfolgerungen Die Digitalisierung ist in der der Zahnmedizin angekommen – und es macht keinen Sinn, sie zu verhindern. Unsere eigentliche Aufgabe besteht vielmehr darin, die digitale Zahnheilkunde verant- wortungsvoll zu gestalten und konstruktiv auf bestehende Herausforderungen zu reagieren. Dabei ist eine Maxime von zentraler Bedeutung: Die digitale Zahnmedizin darf kein Selbstzweck sein. Vielmehr muss sie an ihren Auswirkungen auf den Patienten, das Behandlungsteam und die Bezie- hung zwischen Zahnarzt und Patient gemessen werden: Die Digitalisierung kann dem Patienten auf unterschiedliche Weise dienlich sein, z. B. durch Verbesserung der Diagnose- und / oder Therapie- qualität, durch Erweiterung bestehender diagnostischer oder therapeutischer Möglichkeiten oder durch Senkung der Kosten für den Patienten oder Versicherten, um nur einige Beispiele zu nennen. Bewertungskriterien der digitalen Zahnheilkunde aus Sicht des Patienten sind: 1. Qualitative Verbesserung der zahnärztlichen Diagnostik und / oder Therapie? 2. Erweiterung des diagnostisch-therapeutischen Spektrums? 3. Erhöhung des Behandlungskomforts? 4. Verkürzung der Dauer und / oder Häufigkeit der Behandlung? 5. Erhöhung der Patientensicherheit? 6. Stärkung der Patientenautonomie? 7. Verbesserung des Zugangs zur Zahnpflege? 8. Kostensenkung? Zweitens sollte sich die Digitalisierung in der Zahnmedizin positiv auf den Behandler und sein Team auswirken, indem sie diese bei der Arbeit unterstützt bzw. entlastet – sei es technisch im Arbeitspro- zess oder im Sinne einer Entscheidungshilfe (z. B. für junge und unsichere Zahnärzte). Auch das Eröff- nen wirtschaftlicher Handlungsspielräume durch Digitalisierung ist positiv zu bewerten – sofern dies nicht zu Lasten der Versorgungsqualität geht bzw. nicht zu Überdiagnosen oder Überbehandlungen führt. Bewertungskriterien der digitalen Zahnheilkunde aus Sicht des Zahnarztes sind: 1. Unterstützung im Arbeitsprozess (z. B. technische Unterstützung, Entscheidungsunterstützung)? 2. Reduktion erforderlicher Arbeitsschritte / Schaffung von Freiräumen (technisch, zeitlich)? 3. Erweiterung des Handlungsspielraums (technisch, wirtschaftlich) (soweit nicht zu Lasten Dritter)? 4. Erhöhung der Attraktivität der beruflichen Tätigkeit (soweit nicht zu Lasten Dritter)?

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