ddm Ausgabe 6 | 2019
ddm | Ausgabe 6 | 2019 35 Pro & Contra Herausforderung 2: Zahnarzt-Patienten-Beziehung Doch auch die Rolle des Zahnarztes hat sich unter dem Einfluss der Digitalisierung verändert: Die traditionelle Zweierbeziehung Zahnarzt-Patient ist durch die Integration technischer Systeme in die Patientenversorgung komplexer geworden. Immer häufiger treten technische Maßnahmen an die Stelle einer direkten Zahnarzt-Patient-Interaktion. Auch hierzu nur ein Beispiel: Musste der Zahnarzt z. B. früher einen Abdruck der Zähne des Patienten machen und damit physisch mit diesem inter- agieren, erfüllt heute u. a. ein Scanner diesen Zweck. Auch die zunehmend bedeutsamen „Expertensysteme“ nehmen einen Einfluss auf die Beziehung zwischen Zahnarzt und Patient. Sie unterstützen den Zahnarzt bei der Wahl der Diagnose oder Therapie, aber sie rütteln auch an der Entscheidungskompetenz des einzelnen Zahnarztes. Je mehr Behandlungsunterstützungssysteme zur Routine werden, desto schwieriger ist es für den Zahn- arzt, von der vom System vorgeschlagenen Therapie abzuweichen. Dies kann auch zu rechtlichen Konsequenzen führen, z. B. wenn zu einem späteren Zeitpunkt der Vorwurf einer unsachgemäßen Behandlung erhoben wird und dann die Entscheidung des Zahnarztes infrage gestellt wird. Herausforderung 3: Digitale Kompetenz Jedes technische System ist nur so gut wie sein Anwender. Gerade die digitale Technologie, die stän- dig aktualisiert und verändert wird, erfordert eine umfassende und kontinuierliche Lernbereitschaft der Behandler – immerhin geht es um die adäquate Versorgung von Patienten. Probleme entstehen u. a. dann, wenn der Zahnarzt eine neue Technologie nicht ausreichend beherrscht. In diesen Fällen ist der Einsatz von Technologie nicht nur ineffizient – vielmehr kann der Patient, bei dem die Tech- nologie angewendet wird, auch geschädigt werden. Doch auch die digitale Kompetenz des Patienten stellt eine wichtige Herausforderung dar: Jeder (digitalen) zahnärztlichen Intervention muss eine informierte Einwilligung des Patienten („informed consent“) als Ausdruck der Patientenautonomie vorausgehen. Eine echte informierte Einwilligung kann jedoch nur erteilt werden, wenn der Patient die Informationen über die anzuwendende Tech- nologie vollständig versteht und die Tragweite der von ihm zu treffenden Entscheidung tatsäch- lich ermessen kann. Dies ist meist kein Problem für Patienten, die technikinteressiert sind. Doch wer wenig technische Affinität besitzt, wird sich letztlich einfach auf die Empfehlung des Zahnarztes ver- lassen: In diesem Fall wird die gewünschte „informierte Entscheidung“, die der Patient vermeintlich zu treffen hat, dann tatsächlich zu einer Entscheidung eines Behandlers. Sicherlich sind in diesen Aufklärungssituationen Hilfsmittel verfügbar: Technisch komplexe Sachver- halte können mittlerweile mittels digitaler Visualisierung aufbereitet werden, um sie anschaulicher zu machen. Auch der Einsatz von „Gamification“ nimmt zu: Gemeint ist die Anwendung spielerischer Elemente, um dem Patienten so „nebenbei“ technische Fakten zu vermitteln. Das Problem dabei ist, dass Visualisierung und Gamification wiederum Anwendungen der digitalen Technologie sind, für die Patienten offen sein müssen. Patienten mit einer geringen Affinität für Technik werden für solche Praktiken nur bedingt empfänglich sein, während die technikaffinen sie i. d. R. nicht benötigen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sowohl Ärzte als auch Patienten in der Lage sein müssen, mit der Digitalisierung und der digitalen Technologie umzugehen: Auf beiden Seiten bedarf es also einer (zumindest basalen) digitalen Kompetenz und Aufnahmebereitschaft. Herausforderung 4: Verantwortungsübernahme in komplexen technischen Systemen Das menschliche Handeln wird durch den Einsatz von Technologie deutlich komplexer. Bei digitalen technischen Systemen sind viele Menschen an der Entwicklung, Operationalisierung und Anwen- dung der Technologie beteiligt. Solange ein System reibungslos und fehlerfrei funktioniert, gibt es Die traditionelle Zweierbezie- hung Zahnarzt-Patient verän- dert sich unter dem Einfluss der Digitalisierung. Nicht immer ist die digitale Kompetenz der Patienten ausreichend für eine informierte Einwilligung.
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