ddm Ausgabe 5 | 2017

ddm | Ausgabe 5 | 2017 ABRE§ 50 Patientendaten herausgegeben? Fristlose Kündigung! Daniel Gröschl, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht Zahnärzte sowie deren Mitarbeiter sind zur Verschwie- genheit verpflichtet. Wer dennoch mit Patientendaten fahrlässig umgeht, muss mit Konsequenzen rechnen. Diese können bei Angestelltenweit über eine Abmahnung hinausgehen. Dies entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg (Az.: 12 Sa 22/16) in Bezug auf eine Kündigungsschutzklage einer Arzthelferin in einer radiologischen Praxis. Der Fall ist allerdings eins zu eins auf Zahnarztpraxen übertragbar. Der Fall Eine Helferin war Mitarbeiterin in einer Praxis mit insgesamt circa 40 Mitarbeitern. In ihrem Arbeitsvertrag war ausdrücklich eine Verschwiegenheitsklausel enthalten. Diese lautet wie folgt: „Der Arbeitnehmer ist insbesondere verpflichtet, alle Praxisvorgänge sowie die Namen aller Patienten geheim zu halten und ihm/ihr überlassene Geschäftsunterlagen bei Ausscheiden wieder zurück- zugeben. Er ist darüber belehrt, dass die Verletzung der Schweige- pflicht strafrechtliche Konsequenzen gemäß § 203 StGB nach sich zieht. Diese Schweigepflicht besteht auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort.“ Als eine Patientin einen Termin absagte, rief die Mitarbeiterin das elektronisch gespeicherte Terminblatt der Patientin auf. Darauf standen der Name und das Geburtsdatum der Patientin, der zu untersuchende Körperbereich und das dafür notwenige medizi- nische Gerät. Dies fotografierte die Mitarbeiterin und leitete das Foto mit dem Zusatz „mal sehen, was die schon wieder hat“ an ihre Tochter weiter. Die Tochter zeigte das Foto im Sportverein herum. Darüber beschwerte sich wiederum der Vater der Patientin in der Praxis. Dort kündigte der Arbeitgeber der Arzthelferin außerordentlich (fristlos). Da erhob die Arzthelferin Kündigungsschutzklage. Sie meinte, eine Abmahnung hätte gereicht. Die Entscheidung Das sah das Gericht anders und hielt die fristlose Kündigung für wirksam. Das Verhalten der Mitarbeiterin sei eine schwerwie- gende vorsätzliche Verletzung der arbeitsvertraglich vereinbarten Verschwiegenheitspflicht. Dem Arbeitgeber sei nicht zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Das Gericht machte deutlich, dass für jeden Laien klar sei, dass „die Patientendaten nicht zur Befriedigung familiärer Neugier“ weiter- gegeben werden dürften. Die Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht sei elementar für das Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt/Arzt und Patient. Das Gericht unterstrich, dass aufgrund der Schwere des Verstoßes eine Abmahnung entbehrlich war. Eine Abmahnung hätte das Ver- trauen des Arbeitgebers in die Diskretion der Mitarbeiterin nicht wieder herstellen können. Bewertung der Gerichtsentscheidung Manch einer erinnert sich an den Fall der bekanntesten Kassiere- rin Deutschlands. Sie hatte Pfandbons im Gesamtwert von 1,30 € unterschlagen. Der Arbeitgeber kündigte ihr fristlos. Dies hielt das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg im Jahr 2009 für rechtmäßig. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) nannte die Entscheidung des Gerichts damals „ein barbarisches Urteil von asozialer Qualität“. Erst im Sommer 2010 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass die Kündigung unwirksam war. Die Arzthelferin allerdings wurde völlig zu Recht außerordentlich (fristlos) gekündigt. In ebenso gelagerten Fällen sollte daher eben- falls eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden. Für den Bereich des Medizinrechts unterstreicht das Urteil des LAG Baden-Württemberg die ganz immense Bedeutung der Ver-

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